Morbus Scheuermann: Symptome, Verlauf, Therapie - NetDoktor.at

2023-03-23 16:42:57 By : Mr. YUN ZHANG

Marian Grosser studierte in München Humanmedizin. Daneben hat der vielfach interessierte Arzt einige spannende Abstecher gewagt: ein Philosophie- und Kunstgeschichtestudium, Tätigkeiten beim Radio und schließlich auch für Netdoktor.

Morbus Scheuermann ist eine deformierende Rückenerkrankung, bei der es im Jugendalter zu einer charakteristischen Verkrümmung der Wirbelsäule kommt. Je nach Ausprägung bekommen die Betroffenen unter Umständen einen Buckel und leiden als Erwachsene unter Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Mit einer frühzeitigen Therapie lassen sich die Symptome der Scheuermann-Krankheit jedoch meist gut in den Griff bekommen. Lesen Sie hier alles Wichtige zu Symptomen, Krankheitsverlauf und Prognose.

Morbus Scheuermann, im Volksmund manchmal auch als Scheuermann-Syndrom oder Scheuermannsche Krankheit bezeichnet, ist eine relativ häufige Wachstumsstörung der Wirbelsäule. Sie führt ab dem Jugendalter zu einer typischen Verkrümmung der Wirbelsäule (Rundrücken), die meistens auf Brusthöhe auftritt (thorakal), seltener im Lendenbereich (lumbal).

Jungen sind deutlich häufiger von der Scheuermann-Krankheit betroffen als Mädchen. Am häufigsten beginnt die Erkrankung zwischen dem 10. und 13. Lebensjahr. Die Ausprägung unterscheidet sich von Fall zu Fall.

Um zu verstehen, was bei Morbus Scheuermann geschieht, ist es wichtig, den Aufbau der Wirbelsäule zu kennen. Grob vereinfacht lässt sie sich als übereinandergestapelte Würfel (Wirbelkörper) beschreiben, zwischen denen elastische Puffer (Bandscheiben) liegen.

Der Stapel ist dabei keineswegs gerade. Von der Seite betrachtet hat er eine doppelte „S“-Form. Wie jede Struktur des menschlichen Körpers muss auch die Wirbelsäule im Kindes- und Jugendalter gleichmäßig mitwachsen. Beim Morbus Scheuermann ist dies jedoch nicht der Fall, sodass die Wirbelkörper eine falsche Form annehmen.

Auf das Würfelmodell bezogen bedeutet das, dass die in Richtung Brust/Bauch zeigende Vorderkante des Würfels langsamer wächst als die nach hinten gerichtete Kante. Dadurch nimmt der Wirbelkörper die Form eines Keils an, der mit der Spitze zur Bauchseite deutet. Deshalb ist bei der Scheuermann-Krankheit auch von Keilwirbeln die Rede.

Wenn nun mehrere solcher Keilwirbel übereinander liegen, entsteht dadurch eine krankhafte, nach hinten gerichtete Krümmung der Wirbelsäule. Im Brustwirbelbereich ist eine leichte, nach hinten gerichtete Krümmung der Wirbelsäule (Kyphose) zwar ganz normal, bei Morbus Scheuermann ist diese aber sehr stark ausgeprägt. Mediziner sprechen in diesem Fall auch von einer Hyperkyphose.

Im Gegensatz zur Brustwirbelsäule hat die Wirbelsäule im Lendenbereich normalerweise eine natürliche Vorwärtskrümmung (Lordose). Morbus Scheuermann bewirkt hier, das sich diese Vorwärtskrümmung abschwächt und der Rücken im unteren Bereich abflacht (Flachrücken). Allerdings ist die Lendenwirbelsäule bei der Scheuermann-Krankheit viel seltener betroffen als die Brustwirbelsäule.

Die Scheuermann-Krankheit ist individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Manchmal verursacht sie im Anfangsstadium keine spürbaren Beschwerden und ist nur ein Zufallsbefund. Schreitet die Erkrankung weiter fort, leiden die Betroffenen an folgenden Symptomen:

Führen Deformierungen der Wirbelsäule zu einem stark gekrümmten Rücken, löst Morbus Scheuermann unter Umständen Atemprobleme aus. Zu den möglichen Spätfolgen der Krankheit zählen neben Schmerzen und Haltungsschäden neurologische Symptome wie etwa Missempfindungen an bestimmten Körperstellen. Diese entstehen durch Druck auf die Nervenbahnen, die für die Empfindungsmeldungen zuständig sind. Zu den Spätfolgen im Erwachsenenalter zählen Bandscheibenvorfälle im Bereich der Lendenwirbelsäule.

Die Scheuermann-Krankheit setzt meist mit dem ersten pubertären Wachstumsschub ein und schreitet während des Wachstums weiter voran. Ist dieses abgeschlossen, kommt auch die Verformung der Wirbelkörper zum Stillstand. Die bereits bestehenden Deformitäten und Schäden bleiben allerdings lebenslang bestehen und sind nicht mehr rückgängig zu machen. Durch die resultierende Fehlhaltung und -belastung der Wirbelsäule entstehen im weiteren Verlauf oft zunehmende Beschwerden und Spätfolgen wie Schmerzen und Bandscheibenvorfälle.

Anhand bestimmter Verlaufsparameter wie zum Beispiel dem Cobb-Winkel kontrolliert der Arzt während der Wachstumsphase, wie stark die Scheuermann-Krankheit voranschreitet.

Wichtige Faktoren, die die Prognose beeinflussen, sind

Bei frühzeitiger und konsequenter Therapie ist die Prognose meist günstig. Schwere Verlaufsformen eines Morbus Scheuermann sind selten.

Was letztlich einen Morbus Scheuermann auslöst, ist bis heute nicht genau bekannt. Es scheint allerdings eine erbliche Komponente dabei zu geben, da die Erkrankung familiär gehäuft auftritt. So liegen bei manchen Betroffenen eine generelle Minderbelastbarkeit der Wirbelkörper oder angeborene Anomalitäten an deren Randleisten vor. Auch Vitaminmangelsyndrome spielen bei der Scheuermann-Krankheit manchmal eine Rolle.

Des Weiteren gibt es bestimmte Risikofaktoren, die im Verdacht stehen, den Morbus Scheuermann zu begünstigen:

Zunächst wird der Arzt einige Fragen zur Krankengeschichte, bestimmten Risikofaktoren, der beruflichen Tätigkeit sowie Sport- und Freizeitaktivitäten stellen. Auf diese Weise ist es möglich, die Symptome einzugrenzen und Erkrankungen mit einem ähnlichen Erscheinungsbild wie Morbus Scheuermann auszuschließen.

Bei Schmerzen ist es unter anderem wichtig, wann und in welchem Bereich diese eingesetzt haben. Auch der Schmerzcharakter (dumpf, stechend, konstant oder bewegungsabhängig) spielt eine Rolle. Zugleich fahndet der Arzt nach Funktionseinschränkungen und neurologischen Symptomen.

Daran schließt sich die körperliche Untersuchung an, bei der der Arzt die Wirbelsäulenform, Beweglichkeit und Schmerzintensität beurteilt. So lässt sich auch der Schweregrad des Morbus Scheuermann bestimmen. Um die Verdachtsdiagnose zu bestätigen, sind meist bildgebende Verfahren notwendig, vor allem eine Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule.

Auf dem Röntgenbild erkennt der Arzt typische Merkmale der Scheuermann-Krankheit, insbesondere die Keilwirbel, aber auch andere Veränderungen an den Boden- und Deckplatten der Wirbelkörper. Der sogenannte Cobb-Winkel, der sich aus den Röntgenbildern anhand der Wirbelkörperlagen bestimmen lässt, beschreibt das Ausmaß der Krümmung. Dieser Wert ist für die Verlaufskontrolle sehr wichtig.

In Einzelfällen veranlasst der Arzt zudem eine Magnetresonanztomografie (MRT). 

Das Ziel bei der Therapie von Morbus Scheuermann ist es, eine schwere Verformung der Wirbelsäule zu verhindern. Je früher ein Arzt die Erkrankung diagnostiziert, desto besser gelingt dies. Im Vordergrund steht dabei zunächst eine konservative Therapie, die unterschiedliche Maßnahmen umfasst. Eine Operation erfolgt nur selten.

Mithilfe von Krankengymnastik lassen sich durch spezielle Übungen die Muskelgruppen stärken, die einer Krümmung der Wirbelsäule entgegenwirken. Außerdem bleiben die betroffenen Wirbelsäulenabschnitte auf diese Weise beweglich. Durch die Übungen dehnen Betroffene zudem gezielt jene Muskelpartien, die durch die Fehlhaltung falsch belastet und verkürzt sind.

Ab einer gewissen Krümmungsstärke ist es empfehlenswert, ein Stützkorsett zu tragen. Ziel ist es hauptsächlich, zu verhindern, dass die Scheuermann-Krankheit weiter voranschreitet. Anfangs sollten Betroffene das Korsett nahezu durchgehend tragen, später nur noch nachts oder stundenweise.

Das Korsett ist immer eine individuelle Maßanfertigung. Aufgrund des Wachstums ist es sehr wichtig, die Passform des Korsetts regelmäßig zu kontrollieren und bei Bedarf anzupassen. Da betroffene Kinder und Jugendliche aufgrund ihres Korsetts häufig Hänseleien ausgesetzt sind, ist der Widerstand gegen diese Therapie oft groß. Bei konsequenter Anwendung lassen sich damit aber gute Erfolge erzielen.

Gegen die Ursachen der Scheuermann-Krankheit lässt sich mit Medikamenten nichts ausrichten, wohl aber gegen einige Symptome. So setzt der Arzt gegen die Schmerzen zum Beispiel die Wirkstoffe Paracetamol und Ibuprofen ein. Muskelentspannende Medikamente (Muskelrelaxanzien) helfen gegen Verspannungen, die durch die andauernde Fehlhaltung entstehen.

Zu einer Operation im Rahmen des Morbus Scheuermann kommt es in der Regel nur, wenn die Wachstumsphase des Betroffenen vollständig abgeschlossen und ein gewisser Krümmungswinkel überschritten ist. Andere Kriterien wie etwa chronische Schmerzen, eine Einschränkung der Lungenfunktion oder kosmetische Aspekte spielen hier auch eine Rolle.

Bei der Operation entfernt der Chirurg beschädigte Bandscheiben und ersetzt diese durch körpereigenes Knochenmaterial. Gleichzeitig richtet er die Wirbelsäule mithilfe von Metallplatten und Schrauben auf und stabilisiert diese. Oft müssen Betroffene im Anschluss an eine OP noch für einige Monate ein Korsett tragen.

Da Morbus Scheuermann vermutlich eine erbliche Komponente hat, lässt sich der Erkrankung nur bedingt vorbeugen. Allerdings haben Eltern und Jugendliche die Möglichkeit, einiges dafür zu tun, das Risiko für eine Wirbelsäulenverkrümmung zu verringern.

Dazu gehört es vor allem, schon frühzeitig für eine gute Rückenmuskulatur und eine aufrechte Körperhaltung zu sorgen. Dafür eignen sich ganz einfache Maßnahmen, insbesondere regelmäßige Bewegung. Besonders gut ist Schwimmen, aber auch viele andere Aktivitäten wie Ballsportarten, Tanz und Gymnastik. Wichtig ist vor allem, dass es dem Kind Spaß macht.

Ungünstig sind hingegen stundenlanges Sitzen oder Tätigkeiten, die eine schlechte Haltung begünstigen, wie zum Beispiel langes Spielen am Handy. Bei den Hausaufgaben sind ein hochwertiger Schreibtischstuhl und ein ergonomischer Schreibtisch hilfreich, um eine gute Sitzposition zu ermöglichen.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Marian Grosser studierte in München Humanmedizin. Daneben hat der vielfach interessierte Arzt einige spannende Abstecher gewagt: ein Philosophie- und Kunstgeschichtestudium, Tätigkeiten beim Radio und schließlich auch für Netdoktor.

Erhalten Sie die neuesten Nachrichten und wertvolle Tipps rund um Ihre Gesundheit

NetDoktor arbeitet mit einem Team aus Fachärzten und Journalisten. Wir bieten Ihnen unabhängige und umfassende Informationen rund um die Themen Gesundheit und Krankheit. Sie finden bei uns alle wichtigen Symptome, Therapien, Laborwerte, Untersuchungen, Eingriffe und Medikamente leicht verständlich erklärt. Wir erstellen ausführliche Specials zu Themen wie Sport, Ernährung, Diabetes oder Übergewicht. Journalisten berichten in News, Reportagen oder Interviews über Aktuelles in der medizinischen Forschung. In der Rubrik Test & Quiz können Sie schließlich selbst aktiv werden!

Die Informationen dürfen auf keinen Fall als Ersatz für professionelle Beratung oder Behandlung durch ausgebildete und anerkannte Ärzte angesehen werden. Der Inhalt von NetDoktor kann und darf nicht verwendet werden, um eigenständig Diagnosen zu stellen oder Behandlungen anzufangen. © Copyright 2023 NetDoktor - All rights reserved - NetDoktor.at is a trademark